Alphabetischer Index der Augenkrankheiten
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Atrophia gyrata
- Englisch: Gyrate atrophy
- HĂ€ufigkeit: sehr selten
- Genetik:
- Autosomal rezessiv: Mutationen im Ornithin-d-aminotransferase-(OAT)-Gen
- Symptomatik:
- Beginn in den ersten beiden Lebensdekaden mit Nachtblindheit und peripheren GesichtsfeldausfÀllen
- Progredient bis zur Erblindung
- Klinische Befunde:
- Scharf begrenzte chorioatrophische Areale in der Peripherie, die im Verlauf miteinander konfluieren und nach zentral bis hin zur kompletten Aderhautatrophie fortschreiten.
- Hohe Myopie hÀufig
- SubkapsulĂ€re posteriore Katarakt mit ca. 30 Lebensjahren (frĂŒher als bei Retinitis pigmentosa).
- HyperornithinÀmie
- Funktionsdiagnotik:
- Visus und Farbensehen erst in SpÀtstadien stark beeintrÀchtigt
- Gesichtsfeld: progrediente konzentrische Einengung
- ERG: frĂŒh stĂ€bchenabhĂ€ngige Antworten stĂ€rker reduziert als zapfenabhĂ€ngige Antworten, spĂ€ter nicht nachweisbar unter Standardbedingungen
- EOG: Hellanstieg frĂŒh stark reduziert bis fehlend
- Histologie:
- Scharfer Ăbergang zwischen atrophischen Zonen und Arealen mit normalem Pigmentepithel, Photorezeptoren und Aderhaut
- Besonderheiten:
- Diagnostik: Nachweis einer HyperornithinÀmie, Nachweis einer reduzierten Ornithin-Aminotransferase-EnzymaktivitÀt in einer Zellkultur aus einer Hautbiopsie
- Therapie: strenge argininarme DiÀt zur Reduktion des Ornithinspiegels
- Therapieversuch: bei einigen Patienten Stimulation der AktivitÀt der verbliebenen Ornithin-d-aminotransferase durch Vitamin B6 möglich
aktualisiert: 2006-02-02
Goldmann-Favre Syndrom
Die Begriffe Enhanced-S-Cone Syndrom (ESCS) und Goldmann-Favre Syndrom bezeichnen wahrscheinlich verschieden schwere Manifestationen derselben Erkrankung. Beide Varianten sind in einer Familie beobachtet worden. Das Goldmann-Favre Syndrom wird oft den Vitreoretinopathien zugerechnet, die neueren elektrophysiologischen Befunde sprechen fĂŒr eine retinale Erkrankung.
- Englisch: Enhanced S cone syndrome, Goldmann-Favre syndrome
- HĂ€ufigkeit: selten
- Genetik:
- Autosomal rezessiv: Mutationen im NR2E3-Gen
- Symptomatik:
- Kongenitale Nachtblindheit
- Im Verlauf Visusminderung und GesichtsfeldeinschrÀnkung bis hin zur Erblindung
- Bei ESCS stationÀrer Verlauf oder geringe Progredienz
- Klinische Befunde:
- Periphere retinochorioidale Dystrophie mit Knochenkörperchen.
- Zystoide Makulopathie (nicht obligat bei ESCS)
- Periphere Retinoschisis in einigen FĂ€llen
- Funktionsdiagnostik:
- Visus: abhÀngig von der Makulopathie (1,0 - 1/20)
- Farbensehen: bei ESCS gut
- Gesichtsfeld: konzentrische Einengung oder Ringskotome
- ERG: ungewöhnliche Konfiguration: gleiche Potential-Konfiguration bei Dunkel- und Helladaptation, deutlich verlĂ€ngerte B-Wellen-Gipfelzeiten, höhere SensitivitĂ€t fĂŒr blaue als fĂŒr grĂŒne oder rote Reize
- Multifokales ERG: zentral normaler Kurvenverlauf, nach peripher stark verlÀngerte Gipfelzeiten
- EOG: stark reduzierter oder fehlender Hellanstieg
- Psychophysische Tests: gute Blauzapfenfunktion, fehlende StĂ€bchenfunktion, peripher verminderte Rot- und GrĂŒnzapfenfunktion
- Besonderheiten:
- Aufgrund psychophysischer Tests ist anzunehmen, das bei ESCS Blauzapfen 75mal hÀufiger vorkommen als in einer normalen Netzhaut. Eine mögliche Ursache ist eine atypische Differenzierung der Zapfen wÀhrend der Netzhautentwicklung.
- Histologisch: in einem Fall Nachweis von bis zu 95 % Blauzapfen in bestimmten Regionen der Netzhaut, die Makula konnte nicht untersucht werden
aktualisiert: 2006-02-02
HereditÀre Vitreoretinopathien
Unter diesem Begriff wird eine Gruppe von Erkrankungen zusammengefaĂt, denen VerĂ€nderungen des Glaskörpers und ein erhöhtes Risiko fĂŒr eine Netzhautablösung gemeinsam sind: Wagner Syndrom, Erosive Vitreoretinopathie, Stickler Syndrome und hereditĂ€re vitreoretinale Schneeflocken-Degeneration.
aktualisiert: 2006-02-04
Enhanced-S-Cone Syndrom
Die Begriffe Enhanced-S-Cone Syndrom (ESCS) und Goldmann-Favre Syndrom bezeichnen wahrscheinlich verschieden schwere Manifestationen derselben Erkrankung. Beide Varianten sind in einer Familie beobachtet worden. Das Goldmann-Favre Syndrom wird oft den Vitreoretinopathien zugerechnet, die neueren elektrophysiologischen Befunde sprechen fĂŒr eine retinale Erkrankung.
- Synonym: Goldmann-Favre Syndrom
- Englisch: Enhanced S cone syndrome, Goldmann-Favre syndrome
- HĂ€ufigkeit: selten
- Genetik:
- Autosomal rezessiv: Mutationen im NR2E3-Gen
- Symptomatik:
- Kongenitale Nachtblindheit
- Im Verlauf Visusminderung und GesichtsfeldeinschrÀnkung bis hin zur Erblindung
- Bei ESCS stationÀrer Verlauf oder geringe Progredienz
- Morphologie:
- Periphere retinochorioidale Dystrophie mit Knochenkörperchen.
- Zystoide Makulopathie (nicht obligat bei ESCS)
- Periphere Retinoschisis in einigen FĂ€llen
- Funktionsdiagnostik:
- Visus: abhÀngig von der Makulopathie (1,0 - 1/20)
- Farbensehen: bei ESCS gut
- Gesichtsfeld: konzentrische Einengung oder Ringskotome
- Ganzfeld-ERG: ungewöhnliche Konfiguration: gleiche Potential-Konfiguration bei Dunkel- und Helladaptation, deutlich verlĂ€ngerte B-Wellen-Gipfelzeiten, höhere SensitivitĂ€t fĂŒr blaue als fĂŒr grĂŒne oder rote Reize
- Multifokales ERG: zentral normaler Kurvenverlauf, nach peripher stark verlÀngerte Gipfelzeiten
- EOG: stark reduzierter oder fehlender Hellanstieg
- Psychophysische Tests: gute Blauzapfenfunktion, fehlende StĂ€bchenfunktion, peripher verminderte Rot- und GrĂŒnzapfenfunktion
- Besonderheiten:
- Aufgrund psychophysischer Tests ist anzunehmen, dass bei ESCS Blauzapfen 75mal hÀufiger vorkommen als in einer normalen Netzhaut. Eine mögliche Ursache ist eine atypische Differenzierung der Zapfen wÀhrend der Netzhautentwicklung.
- Histologisch: in einem Fall Nachweis von bis zu 95 % Blauzapfen in bestimmten Regionen der Netzhaut, die Makula konnte nicht untersucht werden
aktualisiert: 2006-02-02
Retinitis pigmentosa
Retinitis pigmentosa (RP) ist das bekannteste und hĂ€ufigste Krankheitsbild der hereditĂ€ren Netzhaut-Aderhautdystrophien. Unter diesem Namen ist eine heterogene Gruppe von Erkrankungen mit verschiedenen ErbgĂ€ngen und multiplen zugrundeliegenden Genmutationen in verschiedenen Genen zusammengefaĂt.
- Englisch: Retinitis pigmentosa (RP)
- HÀufigkeit: PrÀvalenz ca. 1:5000
- Genetik:
- Autosomal dominant:
- Mutationen in folgenden Genen: CA4 (RP17), CRX, FSCN2 (3% in Japan), GUCA1B (nur in Japan), HPRP3 (RP18), IMPDH1 (RP10), NRL, PRPF8 (RP13), PRPF31 (RP11; 21% in Britischen Inseln), Peripherin (RDS, 5%), Rhodopsin (RHO; 40-50%, mehr als 100 spezifische Mutationen), ROM1 (fraglich), RP1 (5-10%), RP9
- weitere chromosomale Genlokalisationen: ?
- In den meisten Familien ist die AusprÀgung der Symptome in allen Generationen gleich. In manchen Familien ist die AusprÀgung jedoch in jeder zweiten Generation weniger stark (PRPF31).
- Autosomal rezessiv:
- Mutationen in folgenden Genen: ABCA4 (RP19), CERKL (RP26), CNGA1 (4 Familien), CNGB1, CRB1, LRAT, MERTK, NR2E3, NRL, PDE6A, PDE6B (3-4%), RGR, Rhodopsin (RHO), RLBP1, RPE65 (RP20; 2%), SAG, TULP1 (RP14), USH2A (4-5%)
- weitere chromosomale Genlokalisationen: RP22, RP25 (10-20% in Spanien), RP28, RP29
- X-chromosomal:
- Mutationen in folgenden Genen: RP2, RPGR (RP3; 71% x-chromosomale RP; 15-20% aller RP-FĂ€lle)
- weitere chromosomale Genlokalisationen: RP6, RP23, RP24
- Digenische Vererbung: Erkrankung nur beim gleichzeitigem Vorliegen von Mutationen im Peripherin (RDS)-Gen und ROM1-Gen.
- Existenz weiterer Genorte wahrscheinlich.
- Unterteilungen:
- Verschiedene Begriffe werden bei der weiteren Differenzierung der Retinitis pigmentosa verwendet. Als separate Krankheitsbilder abgegrenzt werden in der Regel die Lebersche kongenitale Amaurose, Retinitis punctata albescens, Retinitis pigmentosa mit erhaltenem pararterialem Pigmentepithel, die sektorförmige und die unilaterale Retinitis pigmentosa.
- Dagegen sind die Begriffe 'Retinitis pigmentosa sine pigmento' und 'Retinitis pigmentosa paucipigmenti' lediglich deskriptiv und bezeichnen keine eigenstÀndigen EntitÀten. Diese Begriffe sollten nicht mehr verwendet werden.
- Regional begrenzte Formen (perizentrale und inverse Retinitis pigmentosa) sind als eigene Krankheitsbilder umstritten. Sie lassen sich wahrscheinlich verschiedenen Formen der Zapfen-StÀbchendystrophien oder Makuladystrophien zuordnen. Diese Begriffe sollten nicht mehr verwendet werden.
- Neben der Differenzierung nach dem Erbgang und dem zugrundeliegenden genetischen Defekt sind auch Unterteilungen nach dem Beginn (kindlich, juvenil, adult, spÀt beginnend) in der Literatur zu finden.
- Massof und Finkelstein haben aufgrund psychophysischer Untersuchungen eine Differenzierung in einen Typ 1 (diffus, StĂ€bchenfunktion stĂ€rker als Zapfenfunktion reduziert, frĂŒher Beginn der Nachtblindheit) und einen Typ 2 (regional, StĂ€bchen- und Zapfenfunktion gleichermaĂen gestört, spĂ€terer Beginn der Nachtblindheit) vorgenommen. Die Bedeutung dieser Einteilung ist umstritten.
- Symptomatik:
- Alter bei Erstmanifestation und zeitlicher Verlauf sind sehr variabel und reichen von einer angeborenen Blindheit bis zur Diagnosestellung im hohen Alter.
- Nachtblindheit ist FrĂŒhsymptom.
- ZunÀchst oft unbemerkte, langsam progrediente GesichtsfeldausfÀlle.
- In fortgeschrittenen Stadien Farbsinnstörungen und Visusverlust.
- Bei sehr langsamer Progression der GesichtsfeldausfÀlle und fehlender familiÀrer Belastung kann die Erkrankung subjektiv lange unbemerkt bleiben.
- Grobe Regeln: der Schweregrad des Verlaufs nimmt in der Reihenfolge - autosomal dominante - autosomal rezessive - x-chromosomale Retinitis pigmentosa zu. Je frĂŒher der Beginn, desto stĂ€rker ist die Progredienz und die Schwere des Funktionsverlusts.
- Ausnahme: Mutationen im LRAT-Gen: autosomal rezessive Retinitis pigmentosa mit frĂŒhem Beginn und schweren Verlauf
- Klinische Befunde:
- Refraktionsfehler (meist Myopie und Astigmatismus) sind hÀufig
- In frĂŒhen Stadien sind fast immer fleckige Alterationen des retinalen Pigmentepithels erkennbar, hinzu kommt eine Verengung der retinalen GefĂ€Ăe.
- Klassische ophthalmoskopische Zeichen: verengte GefĂ€Ăe, abgeblaĂte, wachsgelbe Papillen und Knochenkörperchen.
- Die Ausbildung der Knochenkörperchen ist sehr variabel bis hin zu deren vollstÀndigen Fehlen
- In spĂ€teren Stadien entwickeln sich nicht selten dystrophische MakulaverĂ€nderungen, manchmal in SchieĂscheibenform oder als scharf begrenzte Aderhautatrophie.
- In fortgeschrittenen Erkrankungsstadien kann ein zystoides Makulaödem entstehen, das unter Acetazolamid-Therapie rĂŒcklĂ€ufig sein kann.
- Vorzeitige Kataraktentwicklung, meist als hinterer Polstar
- CoatsĂ€hnliche periphere GefĂ€ĂverĂ€nderungen nur bei wenigen Patienten (oft assoziiert mit Mutationen im CRB1-Gen).
- Viele Patienten geben auf Befragen Photopsien an, einige Patienten fĂŒhlen sich durch diese Lichterscheinungen erheblich gestört
- Funktionsdiagnostik:
- Visus: meistens erst spĂ€t im Verlauf deutlich reduziert, in einer gröĂeren Minderheit frĂŒhzeitigere Reduktion mit oder ohne Auftreten von MakulaverĂ€nderungen
- Farbensehen: in der Regel erst spÀt ausgeprÀgte unspezifische Störungen
- Gesichtsfeld: frĂŒhzeitig nachweisbare SensitivitĂ€tsverluste in der mittleren Peripherie (30-50 Grad), im Verlauf zunehmende konzentrische Einengung (Tunnel-Gesichtsfeld)
- ERG: stark reduziert oder nicht nachweisbar unter Standardbedingungen. Die zapfenabhÀngigen Reizantworten sind in der Regel weniger betroffen bzw. lÀnger nachweisbar als die stÀbchenabhÀngigen Reizantworten
- Multifokales ERG: ausgeprÀgte periphere Amplitudenreduktion bei noch erhaltenen zentralen Antworten sowie deutliche VerlÀngerung der Gipfelzeiten
- EOG: reduzierter oder fehlender Hellanstieg
- Adaptometrie: frĂŒhzeitig stark reduzierte oder fehlende StĂ€bchenadaptation
- Besonderheiten:
- Eine Therapie mit Vitamin A ist in ihrer krankheitsverzögernden Wirkung umstritten
- Konduktorinnen der x-chromosomalen Retinitis pigmentosa zeigen in der Regel keine oder geringe subjektive Beschwerden, hÀufig aber pathologische VerÀnderungen im ERG. Der Augenhintergrund ist dagegen meistens unauffÀllig, ein tapetoider Reflex und fokale Dystrophieareale kommen vor. Damit unterscheiden sie sich deutlich von Konduktorinnen einer Choroideremie.
- Selten findet sich eine Retinitis pigmentosa mit \'negativem ERG\' als Hinweis auf eine intraretinale Transmissionsstörungen. Diese kann ihre Ursache in verĂ€nderten Photorezeptorsynapsen, Funktionsstörungen der Bipolar- und MĂŒllerzellen haben.
- In SpÀtstadien ist eine morphologische Differenzierung zwischen Retinitis pigmentosa- und Zapfen-StÀbchendystrophie oft nicht mehr möglich
- Retinitis pigmentosa-Àhnliche Netzhaut-Aderhautdystrophien können mit zahlreichen anderen Organerkrankungen assoziiert sein (Syndrome)
- Insbesondere wenn sich bei funktioneller Symptomatik einer Retinitis pigmentosa keine oder nur dezente FundusverĂ€nderungen finden, mĂŒssen differenzialdiagnostisch andere Ursachen einer Netzhautfunktionsstörung (z. B. postentzĂŒndliche oder medikamentös induzierte Netzhaut-Aderhautdegenerationen) ausgeschlossen werden (Differenzialdiagnose).
aktualisiert: 2006-02-11